Fassen kann ich es wirklich nicht. Total seltsam fühlt es sich an. Die vielen Boote, die Leute und dass es sich um unser Ziel Horta handeln soll, ist alles etwas unbegreiflich. So schreibe ich alle Daten der Ankunft ins Logbuch, stelle alle Instrumente, PC und sonstiges was Strom benötigen könnte, ab und grabe nach der Banane. Sie hat immerzu in der Vorschiffskoje gelegen und muss jetzt mühsam ausgegraben werden. Denn wir wollen möglichst schnell zur Immigration. Uns und vor allem das Boot offiziell anmelden. Endlich steht das Ding, ich werfe es fast achtlos ins Wasser und suche noch die Paddel. Die waren doch – ja, die sind nun in der Backskiste. Fertig. Alle Dokumente in den wasserdichten Sack. Erwin hat auch seine Siebensachen gepackt, er will in ein Hotel. Fertig Geschaukel! Die schwere Tasche als Erstes in die Banane, dann Erwin und der Ruderer als Letztes. Es ist ja nicht weit. Suche einen Platz am Steg. Angekommen. Aussteigen. Derweil rudere ich direkt zur Immigration, zum Hafenbüro rüber. Das Wasser ist genug hoch, um da auszusteigen. Anstehen. Zuerst Hafenbüro, dann Zoll und Immigration. Wir haben beide ordentlich Schlagseite. Stehen geht, laufen ist sehr, sehr ungewohnt. So setzen wir uns hin und warten, bis wir an der Reihe sind. Ohne Probleme kommen wir durch und am Schluss bin ich inzwischen offiziell allein auf der Ulalena. Hunger! Durst, grossen Durst. Der Ort der Orte laufen wir schnurstracks an. Das Café Sport.

Haufenweise Tradition

Wir setzen uns an einen Tisch und bestellen wie die Grossen. Mehr oder weniger schaukelt der Tisch? Das Bier kommt bald und so stossen wir auf eine glückliche Überfahrt an. Natürlich müssen wir fast gleichzeitig unsere Familien benachrichtigen. Händi ein, Wifi ein und da trudeln die Meldungen rein. Irgendwie eine blöde Idee, doch es sind natürlich alle gespannt auf unsere Gesichter 😉

Etwas viel Haare im Gesicht

Unfassbar Glücklich! Ich habe solch einen Hunger, dass ich gleich noch ein Dessert bestelle. Doch der Bananen-Split ist etwas gar gross geraten. Fast einen halben Meter Zucker wird uns da serviert. Nichtsdestotrotz, putzen wir auch den radibutz weg. Wir widmen uns wieder den News im Telefon und Erwin sucht noch nach einem Hotel. Gefunden. Wir bezahlen und ich begleite in noch bis zu seiner Unterkunft. Gute Nacht!

Schafen? Nein, kann ich sicher nicht. Ich muss laufen, mich bewegen. Das Erste ich natürlich, die Mole, das Boot, die vielen Boot anzuschauen.

Das liegt die Ulalena bei den Grossen

Langsam komme ich an, langsam rieche ich das Land und langsam fährt es mir ein, wie ein Blitz – wir sind tatsächlich in Horta!

Geschafft!

Es braucht seine Zeit, bis ich wieder zur Banane komme und einsteige. Rudere völlig in Gedanken zum Schiff und setzte mich ins Cockpit. Schaue die anderen Schiffe an, den Hafen, die Hügel und die ganze Insel. Verkrieche mich in meine Koje und lese meine tägliche Lektüre von meiner liebsten Freundin. Schlafe unruhig ein. Wach immer mal wieder auf und will die Segel, den Wind, die Instrumente kontrollieren. Doch ich bin ja vor Anker!

Dem Chaos auf dem Boot will ich am nächsten Morgen erst Herr werden.

Chaos pur, alles muss getrocknet werden

Alles aufhängen, wegräumen und verstauen. Dann die schmutzige Wäsche zusammensammeln und bereit machen für an Land.

Alles aufräumen

Vollbepackt, rudere ich zum Steg rüber. Wuchte die schweren Taschen auf die Mauer und schleppe das ganze Zeugs zu den Duschen und der Wäscherei. Abgeben, klar, erst am Abend fertig. Erwin ist auch schon da und erzählt von seinem gestrigen Bad. Tja, das kommt bei mir erst noch und verschwinde im Duschraum. Das Wasser, ja tatsächlich, es kommt manchmal auch etwas Wasser aus der Brause, genügt mir aber vollkommen. Mit dem Landgang habe ich immer noch zu kämpfen. Besonders in engen Räumen ist es besonders schlimm. Trotzdem tut es extrem gut, sich mal wieder mit Süsswasser zu bewerfen 😉 Auch rasieren sollte jetzt geschehen. Benötigt aber seine Zeit, bis alles wieder nackt ist. Fertig, raus und die Suche nach einem Büroplatz. Kaffee, hatte heute auch noch keinen, und Internet ist jetzt vonnöten. Das Café International bietet alles, sogar einen frischen Kuchen für mich. Wie habe ich das vermisst!

Dann kommen die wichtigsten Sachen dran. Wetter, Wetter und Wetter, dann die Segel und für den Pitsch benötige ich noch ein Update. Dazu einen Ship Chandler. Finde wirklich alles. Der Segelmacher, er muss sich dringend meine kaputte Genua anschauen, kommt um 18 Uhr zur Marina. Perfekt. Das neue Ruderblatt für den Pitsch finde ich den zuständigen per Zufall im Laden. Kein Problem, Harry kann alles, sogar ein neues Ruder aus Holz anfertigen. Den alten, abgebrochenen Resten bringe ich ihm. Viel zu tun. Aber was macht jetzt das Wetter? Zurzeit laufen extrem viele Boote aus. Der Wind ist perfekt für den Norden oder nach Portugal. Doch ich kann hier sicher nicht sofort weg. Dazu benötige ich noch Diesel, frisches Essen und meine zwei Problem sollten sicher gelöst sein. Frühestens am Sonntag, wenn alles so funktioniert, wie ich mir das so vorstelle. Dummerweise verpasse ich den Segelmacher. Ich werde von Erwin aufgeschreckt, als es schon zu spät ist. Dumm, blöd, megablöd. Also morgen ganz sicher. Wir gehen zusammen fein Essen und geniessen das überaus gute Fleisch, Fisch und Krabben auf dem heissen Stein.

Ich muss noch etwas laufen. Dazu ist noch ein Festival im Gange, mitten im Hafen. Doch ich schaue mir das nur kurz an. Ich muss laufen 😉

Herrliche Sicht auf die Nachbarinsel

Dazu bietet sich eine herrliche Aussicht auf den Berg der Nachbarinsel. Der Pico ist normalerweise immer von einer dicken Wolkendecke umgeben. Heute? Fantastischer Ausblick auf die ganzen Pracht. Erst als es schon lange dunkel ist, rudere ich zurück zum Boot.

Was für eine Stimmung!

Setze mich ins Cockpit und staune. Müde, sehr müde, aber sehr, sehr glücklich. Schlafen kann ich immer noch nicht und merke erst jetzt, wie mir die nächtlichen Wachen zu schaffen gemacht haben.

Schon Freitag. Die Löcher im Gelcoat muss ich dringend flicken. Damit nicht immer alles Wasser ins Innere kommt. Dann sehe ich per Zufall, dass der Dieselrücklauf undicht ist. Abmessen und beim Shop einen neuen Kaufen. Es sind noch sooooo viel Sache zu machen. Zurück am Land. Treffe ich wieder Harry. Ja, ist in Arbeit. Bis Sonntag? Sollte gehen. Dem Segelmacher übergebe ich das Genua und auch er verspricht, es bis morgen zu erledigen. Nur eine Kleinigkeit sagt Luiz. Hammer. Das Wetter? So schnell wie möglich muss ich los, denn ein Hoch lässt den Wind einschlafen und dann muss ich die ganzen 1000 Meilen unter Motor fahren, was etwas zäh wäre. Sonntag, dann wäre der letzte mögliche Tag. Dazu natürlich noch unzählige Telefone mit zu Hause. Am liebsten würde ich den ganzen Tag mit ihnen reden und erzählen wollen. Doch ich muss los und auch die Büroarbeit, Zahlungen, E-Mails und vieles andere muss auch noch erledigt werden. Das Essen am Abend mit Erwin ist Entspannung pur. Vor der Beiz sehen wir uns noch eine wunderschöne Kirche an. Einen guten Zeitpunkt, mal wieder ausgiebig zu danken.

Nossa Senhora das Angústias heisst diese wunderschöne Kirche

Nach dem Essen muss ich mich noch etwas bewegen. Laufe auf die andere Seite zum Fährhafen.

Hier bin ich richtig ;-)

Als ich beim Namen andächtig stehen bleibe, ja ich bin wahrlich in Horta, höre ich von Weitem einen Fussballmatch. Das muss ih mir ansehen. Setze mich auf die Tribüne und schaue den etwas älteren Herren bei der Arbeit zu. Auf dem Rückweg noch der Musik lauschen, die gerade beim Festival läuft. Ich habe aber irgendwie keinen Kopf für die Kultur. Zu viel andere Sachen im Kopf. Trotzdem schön, den klängen zuzuhören.

Das Festival ist im Gange

Endlich kann ich wieder etwas länger schlafen. Mehr oder weniger erholt mache ich mich an die letzten nötigen Arbeiten auf der Ulalena. Eines ist sicher die Besteigung des Mastes. Der Verklicker ist lose und dazu sollte ich dringend das Rigg gründlich durchchecken. Alles bestens. Das Ruderblatt für Pitsch ist auch fertig. Danke Harry.

Pitsch 3.0

Das Segel kommt am Abend auch wie versprochen. Perfekt repariert. Danke Luiz. Und auch für frisches Essen habe ich gesorgt. Sogar Wasser und Diesel ist wieder voll. Dazu die nötigen Ersatzteile habe ich allesamt bekommen. Nur eine gute Sonnenbrille fehlt. Etwas habe ich nicht mitbekommen, dass heute Nationalfeiertag ist. Also ab Mittag alles dicht ist. Kleines Übel. Sogar eine Postkarte für unseren Wettermeister habe ich noch kurz geschrieben und eingeworfen. Ein Abschlussessen mit Erwin und einen Lauf zum Observatorium möchte ich nach dem Super Mahl machen. Vorbei am schönen Wandbild.

Wirklich gut gemacht

Die Aussicht auf dem kleinen Hügel ist wirklich ausserordentlich. Rundblick. Herrlich schön!

Blick vom Observatorium herunter

Glücklich und doch traurig. Diese Insel, diese anderen Inseln haben es mir vollends angetan. Vor 20 Jahren war ich schon mal auf Sao Miguel und jetzt hier. Die Zeit ist einfach viel, viel zu kurz. Da muss ich unbedingt nochmals hin. Jetzt heisst es abschied nehmen. Noch einmal schlafen, dann segle ich wieder gegen Osten.

Fast durchgeschlafen. Rudere nochmals an Land und setze mich ins Café. Letzte Wetterinfos und vor allem abmelden, dass ich sicher für zehn Tage nicht zu erreichen bin. Erwin benötigt seine Verbindung für seine nächste Reise und meine Kurzwelle geht immer noch nicht. So packe ich möglichst viele Wetterdaten ein und verabschiede mich. Tschau Horta, tschau Azoren und tschau Erwin. Ich komme wieder! Ganz sicher.

Anker hoch und weg

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