Um 6:40 Uhr mache ich einen Logbucheintrag: Wind 155°, 6 kn, heiter, blau, ruhig, 20.5° und 1024.5 hPa.
Wir sind schon auf und laden noch die letzten Wetterdaten auf den PC. Für zehn Tage haben wir nun eine Grundlage für unseren Kurs. Doch WetterWelt gibt uns die Koordinaten vor, die wir versuchen anzulaufen. Zuerst noch ein dickes Zmorge und dann lassen wir die Leinen los. Perfektes Wetter für den Start. Die Tide stimmt auch.
Mit etwas Strömung motoren wir dem offenen Meer entgegen. Kaum frei von Untiefen, setzen wir Segel. Erwin pack noch alles zusammen. Tja, diese Leinen brauchen wir lange nicht mehr.
Sind es 21 oder 23 Tage? Wie ich mal grob veranschlagt habe? Wir lassen uns überraschen. Esswaren, Wasser und Diesel haben wir sicher genug. Wir segeln gemütlich in Richtung Süden, dem Cape Lookout entgegen.
Am Mittag, 12:30 Uhr, erreichen wir die letzten Untiefen von Kap und drehen jetzt definitiv in den weiten, grossen Atlantik ab. Der Südwind seht uns ausgezeichnet bei und so fahren wir erst einmal der Küste hoch. Bis zum Cape Hatteras sollten wir schon Höhe machen. Dann mal sehen, wie es mit dem Wetter aussieht. Die Nacht ist etwas gar unruhig. Nicht das Wetter oder der Wind, nein wir sind es ganz einfach noch nicht ans Schaukeln gewöhnt. Mit Händen und Füssen bewegen wir uns vorwärts. Kochen ist etwas gar gewöhnungsbedürftig. Erwin hat seine liebe Mühe, dass alle Zutaten and seinem Platz bleiben. Doch das Resultat ist immer hervorragend. Wir geniessen es, zusammen zu Essen. Wenn nur das blöde Schauken nicht währe!
Es ist Mitternacht und das letzte Kap querab. Der Wind dreht sich auch schon mehr gegen Westen. Neuer Kurs, direkt auf die Azoren. Im AIS sehen wir die letzen Schiffe. Es werden immer weniger. Der Samstag ist schon viel besser. Mit etwas mehr als 12 Knoten Wind und zum Teil über 7 Knoten Geschwindigkeit kommen wir super voran. Dazu schiebt uns der Golfstrom mächtig an. Der Wind dreht am Sonntag noch mehr auf und erreicht fast die 20er-Grenze. Reffen! Wir müssen reffen. Die folgende Nacht wird wirklich angenehm. Etwas schlafen und alle Stunde mal die Segel, Kurs und die anderen Schiffe prüfen. Alles paletti! Der 15. Juni, Montag, 16.7 Knoten Wind von Norden trage ich in Logbuch ein. Passt doch so weit. Erwin macht ein geniales Frühstück. Rührei! Doch am Abend ist fertig lustig. Flaute. Wir schmeissen den Motor an. Frust. Jetzt schon? Doch um Mitternacht kommt der Wind zurück. Segel hoch! Und den Pitsch, also die Windfahne wieder einstellen. In der Nacht gar nicht so einfach. Segel hoch, Kurs mit dem Autopiloten, elektrischen, festnageln und dann den Pitsch einstellen. Übernehmen und den Autopiloten wieder abstellen. Schlafen.
Die Meldung von WetterWelt am nächsten Tag kündigt eine Front an. Sie schreiben: “Kurs bis 62° W halten, bis Front durch ist, NE Wind nach Norden bis 38/38° N am 18.5. Front 35° 30’ N abwettern. Wind wird auf rechts drehen.” Uuii, hoffentlich ist das Ding nicht gar zu stark, denken wir. Doch es wird recht unangenehm. Wind bis über 34 Knoten, Schauern und heftigen Böen begleiten uns die ganze Nacht. Immer mal wieder raus und das Ganze anschauen. Doch es ist nass draussen, überaus nass! Das Etmal ist am nächsten Tag auch darum sehr hoch. Ganze 162,7 Meilen sind wir dem Ziel näher gekommen. Es ist schon der sechste Tag auf dem Atlantik. Der Wind dreht immer mehr. Mit diesem Kurs fahren wir nach Afrika, sagt Erwin nur. Also legen wir Kurs Nord. Segel gut einstellen und ab geht die Post. Wir kommen zwar den Azoren nicht näher, aber eben wie WetterWelt gesagt hat, dreht der Wind später zurück und dann, dann können wir wieder Kurs auf unser Ziel anlegen.
Wir haben uns langsam ans schaukeln gewöhnt. Haben unseren Rhythmus in etwa gefunden und können auch ein paar Stunden schlafen. Essen ist aber immer noch eine Herausforderung. Am Koch liegt es sicher nicht, der macht seine Sache wirklich gut, aber wir haben einfach keinen Appetit. Auch das Trinken ist solch eine Geschichte. Wir müssen uns regelrecht zwingen, genügen zu uns zu nehmen. Ich fülle jeden Tag unsere “Ration” in unsere PET-Flaschen.
Endlich dreht der Wind wie angekündigt nach Norden und so gleiten wir fast unbemerkt mehr gegen Osten. Pitsch macht ganze Arbeit und steuern und dem Wind entlang. Langsam, ganz langsam dreht sich die Nadel auf dem Kompass. Wunderbar. Wir sind ganz zufrieden. Alles passt und funktioniert. Die Segel, das Reffen, das Wetter wird wieder besser und wir haben, ausser dem Schaukeln, nichts zu beklagen. Vorsicht, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben und genau so kommt es auch. Am Montag, 22. Mai, zehnter Tag auf dem Wasser, läuft die Ulalena auf einmal aus dem Ruder! Dreht einfach ab. Nicht schon wieder diese Algen, denke ich laut. Doch nichts ist am Ruderblatt von Pitsch. Da, da sehe ich den Schlamassel. Das Blatt ist weg, ab, fort! Sofort bringe ich das Schiff auf Kurs und hänge den Autopiloten rein. Ziehe den Pitsch hoch – Schockstarre!
Ungläubig schauen wir uns das nun an. Das gibt es doch gar nicht. Völlig ratlos schauen wir uns an. Können wir ununterbrochen mit dem Elektoding segeln? Reicht die Batterie dafür? Ausprobiert habe ich das natürlich nie. Wer kommt schon darauf. – Der Hersteller muss ran. Oder mindestens hat er eine Idee. E-Mail an WindPilot und prompt erhalten wir gute bis sehr gute Informationen. Wie wir Pitsch verarzten können. Die ganze Nacht haben wir mit dem anderen Autopiloten gesteuert, und zwar mehr als gut. Jetzt bei Tag suchen wir das ganze Schiff nach einem passenden Holzstück ab. Was ist mit dem? Oder das? Wir haben viele Optionen, zum Glück. Doch erst als wir die “Anleitung” nochmals durchlesen, fällt uns das mit dem Anker oder Ankerschaft auf. Einen Anker, einen Schaft? Ja, das habe ich in der Backkiste. Raus und Hammer! Die Dicke, die Länge und sogar das Loch passen wie angegossen. Doch wir haben ein weiteres Problem. Der Wind verabschiedet sich und wir müssen den Motor starten. Weiser Rauch! Auch das noch. Der Fehler ist bekannt. Zum Glück. Der Wasserpumpenriemen ist lose, sprich zu dünn, um die Pumpe anzutreiben. Ein Neuner ist in Griffweite, auch schnell montiert. Motor läuft wieder! Auch der Pitsch haben wir mit dem Ankerschaft aufgepeppt. Sieht doch ganz ordentlich aus?
Vielen Dank dem WindPiloten-Macher! Ausprobieren können wir ihn nicht, der Wind fehlt. Die ganze Nacht Motoren wir. Doch als ich den Kurs kontrolliere, sehe ich, dass wir Kreise drehen. Erwin kennt das und wir restarten das Ganze. Passt wieder. Doch dann kommt in der Nacht, wann dann sonst, auch noch der Baum rüber. Raus und checken. Der Schäkel ist weg. Das kleine Ding ist auf und davon. Habe ich den beim Rigg-Check vergessen? Ist er gebrochen? Egal. Im Ersatzteillager finde ich schnell einen passenden Ersatz und will in montieren. Wind und Regen erschweren mir die Sache ungemein. Erwin unterstützt mit Licht. Doch da ist noch ein weiteres Problem. Durch unseren Stillstand kommt ein Frachter bedrohlich zu nahe. Einen Funkspruch an ihn und er macht einen etwas grösseren Bogen um uns. Zurück zum Schäkel. Der ist nun im nu montiert und der Baum wieder in seiner ursprünglichen Position. Weiter segeln. Ich bin müde, sehr müde und überlasse Erwin die Wache.
Nächster Tag. Schon elf Tage auf See. Es kommt eine Meldung von WetterWelt rein. Starkregen und ein Tief mit bis zu 40 Knoten Wind! Und das für heute Abend. Wir bereiten alles vor. Dann geht los mit dem Tanz. Doch mit sehr wenig Tuch ist es recht “angenehm”. Es lässt sich auch mit über 30 Knoten Wind gut aushalten. Der Kurs stimmt und auch die Geschwindigkeit ist mehr als gut. Am Morgen lässt der Wind langsam nach und pendelt sich bei 15 Konten ein. Geschafft. Das Etmal ist grandios. Ganz 180,1 Meilen haben wir in den vergangenen 24 Stunden abgespult! Wow! Das muss gerade im Logbuch notiert werden.
Leider verpassen oder besser, befolgen wir nicht ganz genau den Rat von WetterWelt. Um im Strom zu bleiben, sollten wir nach 39 N gehen. Klappt aber nicht. Der Wind ist “falsch” und dann hört er auch noch ganz auf. Super. So haben wir nun Strömung, natürlich Gegenströmung und müssen in den Norden Motoren! Bravo. Ganze zwei Konten über Grund messen wir. Die Stimmung ist unter null 🙁 Doch nach ein paar Stunden ziehen wir wieder zügiger weiter. Störung weg, Wind an. Doch das Etmal sagt alles, ganze 85 Meilen sind wir weiter gekommen, halt, das war durchs Wasser. Also über Grund, fast unterirdisch.
Es ist Sonntag, Sonntag, der 28. Mai und wir haben einen wirklichen Sonnentag. Super Wind und wieder Strömung, die uns schiebt.
Doch die Prognosen von WetterWelt sind nicht so gut. Wenig Wind, falschen Wind und erst noch ein mächtiges Tief, dass unter uns durchrauscht. Wir können gar nicht darüber nachdenken. Das nächste Malheur. Das Genua hat sich dummerweise an der Radarantenne verfangen! Nicht das Tuch, sondern die Leine am Ende des Tuches. Die Jakobsleine. Der Schutz um diese Leine ist “morsch” und so verfängt sich die Leine an beliebiger Stelle und reisst immer mehr auf. Blöd! Saublöd. Wir müssen die Genua, also eine neues Vorsegel setzen. Ich grabe unter meiner Koje und schon bald ist das neue Ding angeschlagen. Einpacken, zusammenlegen der defekten Genua ist bei diesem Platzangebot doch eine fast grössere Herausforderung 😉 Durchsetzen und weiter ziehen wir in Richtung Horta. Übrigens, der Pitsch 2.0 funktioniert hervorragend. Auch durch die Idee, Modifikation mit dem Holzstück am Ende des Ankers, hat Erwin ganze Arbeit geleistet.
Da, da, ein Wal! Hinter uns verabschiedet sich gerade dieses stolze Tier. Eine kleine Rückenflosse deutet auf einen Finnwal hin. Verrückt und wunderschön, solche Geschöpfe in freier Wildbahn zu sehen!
Mittwoch, der letzte Tag im Mai und wir sind immer noch gut 500 Meilen von Horta weg. Das mit dem 4. Juni, also 23 Tage, wird etwas gar knapp. Da müsste der Wind und das Wetter vollends 100 % mitmachen. Tut es aber nicht. Denn der dreht wie schon fast vermutet und angekündigt immer mehr gehen Osten. Genau gegen Osten, genau da müssen wir aber hin. Die Windstärke ist mit manchmal über 20 Konten wunderbar, doch wir müssen zwangsläufig aufkreuzen. Mal nach Norden und mal nach Süden. Wir haben langsam aber sicher genug. Wir wollen so schnell wie möglich an Land. Denn auch das Lesen, das Hörbücher hören oder Schlafen haben wir endgültig gesehen. Es dauert bis fast bis am Montag, dem 5. Juni, bis wir endlich, endlich direkten Kurs zur Insel Faial anlegen können. Segeln konnten wir immer wunderbar. Je näher wir kommen, desto mehr Tiere sehen wir. Delfine, die kleinen, braunen, sehen wir en masse. Herrlich, diese eleganten Tiere von ganz nah zu beobachten. Sie spielen mit den Wellen und begrüssen uns. Dann sind es nur noch 200 Meilen. Bis zum Hafen! Yupieee! Der Wind wird immer besser und da stehen wir fast urplötzlich vor einem unbekannten Land. Faial kommt in Sicht!
Alles hat gehalten. Nur die Leine für die Rolle der Genua haben wir gestern noch präventiv ersetzt. Sonst, ja der Windanzeiger geht immer mehr weg. Keine Anzeige mehr. Doch jetzt ist alles vergessen. Wir nähern uns Vollgas dem Land. Schnuppern diesen anderen Duft und vor allem diese grünen Farben entzücken uns gewaltig. Wir segeln ganz nah an der Südküsten entlang und geniessen es in vollen Zügen.
Wir haben es geschafft. Da ist die Einfahrt zum grossen Hafen, Marina, Ankerfeld von Horta.
Drin sind wir und werden fast erschlagen. Es hat Hunderte Boote vor Anker. Einen Anruf an die Marina bringt auch nichts. Es gibt eine grosse Warteliste für die Marina, schmeisst mal den Anker. Jänu! Motor an, Anker vorbereiten und einen freien Platz suchen. Kein Platz oder zu tief. Oder das Eisen hält einfach nicht auf dem Grund. Doch dann schaffen wir es doch noch. Nahe der Marina, also fast an Eingang, finden wir endlich Halt. Ich notiere im Logbuch: 12:30 Uhr, 22.6°, leicht bewölkt, 1013 hPa, 9,4 Meter Tiefe und über 40 Meter Kette. Angekommen! Unglaublich! Wir sind nach 26 Tagen, nur Wasser, angekommen.